Sonntag, 29. April 2012

Indien- Reisebericht, Teil 10: Begegnung mit "neuen, alten Bekannten"

Gerade habe ich wieder über Indien nachgedacht, über meine Reise vor einem Jahr, über den verplantesten und leichtsinnigsten Trip, den ich bisher zustande gebracht habe.

Übrigens habe ich jetzt eine eigene Seite eingerichtet, oben, mit dem Titel "Indienreise". Dort steht ab jetzt der Komplette Reisebericht zusammenhängend und wird in Zukunft Stück um Stück ergänzt, wenn ich es schaffe, mich gegen den inneren Schweinehund durchzusetzen und ab und zu weiter zu schreiben, an dem Bericht, den ich letzten Herbst angefangen habe! Ich denke aber, das bekomme ich hin, schließlich erinnere ich mich gerne zurück an die außergewöhnlichen Erlebnisse im Subkontinent und ich kann manchmal nur den Kopf schütteln über meine Naivität, die ich dort an den Tag gelegt habe.

Nun aber zum Thema: 

Ich suche nach meinem Aufenthalt in Hampi noch einmal das schöne Gokarna auf, entspanne mich nüchtern am Strand, treffe dort nette Menschen und habe das Gefühl, so langsam "rein zu kommen", in meinen Trip. Ein sonniges Gefühl stellt sich ein.
Da ich aber nicht die gesamte Reise an südwestindischen Stränden verbringen möchte, sondern noch einige andere potenzielle Ziele im Kopf habe, mache ich mich eines Tages auf richtung Norden. In der Mitte Indiens weiß ich nicht so recht wohin, blättere ein wenig im Lonely Planet und entschließe mich schließlich, die Höhlen bei Ajanta anzusehen. Diese Höhlen wurden von frühen Buddhisten mit Steinen als Werkzeuge in massiven Fels geschlagen. So lautet jedenfalls die offizielle Erklärung. Eine andere Theorie besagt, sie wurden von Außerirdischen geschaffen. Wenn man vor Ort ist, glaubt man eher Letzteres.

















Meine eigentlichen Ziele liegen aber weiter nördlich. Rishikesh möchte ich mir ansehen, nicht nur, weil die Beatles bereits 1968 dem Ort einen Kultstatus verliehen und es ein Muss für Backpacker in Indien ist, sondern auch, weil ich zufällig in Hampi erfahren habe, dass ein Rainbow-Gathering dort in der Nähe stattfinden soll. Ich kenne die Energien, die auf Goapartys fließen, habe aber über die Rainbows gehört, dass es auch dort sehr schön sein soll. Also wollte ich daran teilhaben, an diesem Gathering. 
Ein weiteres Ziel, ganz oben im letzten Zipfel Indiens, ist Manali. Dort soll es das beste Hasch geben.
Also bewege ich mich binnen weniger Tage durch halb Indien mit Zug und Bus. An dieser Stelle möchte ich jedem, der mal in Indien mit dem Zug fahren möchte, ans Herz legen, sich einen Sitzplatz zu reservieren. Ich hatte Glück, dass ich im Zug, auf der Suche nach freier Sitzfläche für eine 12-stündige Fahrt nach Delhi, einen freundlichen Hindu mit seinem Sohn getroffen habe, der mir nicht nur die Hälfte der Liegefläche seines Sohnes, sondern auch noch einen nicht zu verachtenden Anteil des Essens, das ihm seine Frau mitgegeben hatte, regelrecht aufgedrängt hat. Aber freundlich. Es gibt sie also doch, die ehrlich freundlichen Inder, stelle ich dort im Zug erfreut fest. Natürlich, warum auch nicht?
Ein Taxifahrer, der mich eines Morgens, als ich gerade verschlafen aus einem Sleepingbus steige, sogleich in Beschlag nimmt, versucht mir den Bären aufzubinden, dass an diesem Tag keine Busse fahren würden, weil Indien am Vorabend Pakistan im Cricket besiegt hätte. So eine Art spontaner nationaler Feiertag, "today, whole India no bus!" Das mit dem Sieg gegen Pakistan stimmte tatsächlich, als ich aber den Taxifahrer, der mich für viel Geld an mein nächstes Etappenziel fahren wollte, endlich losgeworden bin und am Busbahnhof ankomme, herrscht dort ganz normaler Betrieb. Naja, netter Versuch.

Irgendwann bin ich dann in Rishikesh. Ich bin so fertig, möchte nichts als schlafen, doch was ist das: Beinahe alle Guesthouses sind voll belegt! Hochsaison im etwas kühleren Rishikesh um diese Zeit, im März. Im "Bombay Guesthouse" ist es Tradition, dass Besucher in der Hochsaison mit einer einfachen dünnen Matte ausgestattet für 50 Rupees auf dem Dach schlafen können und dann in ein Zimmer nachrücken, wenn eines frei wird. Ich kaufe mir noch schnell ein Stückchen "Charas", rauche was davon und falle dann in einen sehr tiefen Schlaf auf besagtem Dach. 
Auf dem Weg nach Rishikesh habe ich so viel wild blühenden Hanf gesehen wie noch nie. Die ganze Fahrt über strömte der süßliche Duft in den Bus hinein. Doch auch dieses Charas ist zwar gut, doch lange nicht das, was man eigentlich bekommen kann. Ich spüre aber, dass ich dem wahren Charas auf den Fersen bin! Mittlerweile weiß ich, dass die typischen Straßenhashverkäufer alles mögliche Charas nennen. Ich weiß auch, dass es teilweise Kuhscheisse ist, mit der sie ihre Ware Strecken. Der optische Unterschied ist marginal.

Ich verbringe einen Durchhängertag in Rishikesh, wo es untertags doch recht heiss wird. Beim Frühstückschai treffe ich ein Mädchen, das mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich kann sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einordnen. Ich bin erschöpft und habe einen Mückenstich am Auge, der mich nervt.
Später am Tag laufe ich gerade über die lange Brücke, die glaube ich "Laksman Jhula" heisst, und die beiden Hälften Rishikeshs verbindet, den oberen Teil mit den vielen Guesthouses, der eher für Touristen konzipiert ist und den unteren Teil wo die Bevölkerung hauptsächlich lebt. Der Ganges ist hier kristallklar und glänzt wunderschön im Sonnenschein. Plötzlich kommen zwei Inder mit dem Roller angefahren. Das obligatorische "hello friend, where you from?" Sie lullen mich ein und wir gehen Chai trinken.
Ja, eigentlich müsste ich aus meiner Erfahrung gelernt haben, doch ich falle ein weiteres Mal auf eine "company" rein. Doch diesmal nur Anfangs, dann mache ich mir die Situation zu Nutze.
Die Vertreter dieser Company fangen mich anders ein als Ravi am Strand von Goa (nachzulesen in den ersten Teilen des Berichts): Sie interessierten sich sehr für Deutschland, sagen sie, sie möchten bald dorthin reisen und mit mir ein wenig Deutsch üben. Gut, sie bringen es glaubwürdig rüber, ich ahne zwar schon, dass da was im Busch ist, lasse mich aber darauf ein, in der Hoffnung, ich könne ihnen tatsächlich einfach nur etwas Deutsch beibringen, nett wie ich eben bin ;)
Doch bei ihnen Zuhause, wo wir mit dem Roller hinfahren, erwähnt keiner mehr was von Sprachunterricht. Stattdessen reden wir über die Unterschiede unserer Länder und Kulturen, sie lassen dabei durchscheinen, dass sie es unfair finden, in Indien geboren zu sein, während ich mir alles leisten kann, wovon sie nur träumen. Verständlich.
Bald geht es jedoch ans Eingemachte: Wie ich geahnt habe, betreiben auch sie Handel mit Edelsteinen und fragen mich, ob ich einen Job machen möchte, über den ich mittlerweile bestens bescheid weiß.
Ich spiele das Spiel kurz mit, denn das bedeutet Essen gratis und eventuell sogar ein Schlafplatz umsonst! Angesichts der Knappheit der Gästebetten im oberen Rishikesh wäre das gar keine schlechte Sache. Doch es geht nicht auf. Ich lasse mir alles erzählen, was ich schon mal so ähnlich gehört habe, doch lehne das Angebot am Ende entschlossen ab. Das bedeutet für mich, dass ich gehn muss.
Kurz vorher ist allerdings ein weiterer Freund der beiden, der "Boss", mit zwei jungen Mädels, vielleicht um die Achtzehn, höchstens Zwanzig hereingekommen. Ich weiß, dass auch sie potenzielle Opfer dieses Betrugs sind. Mit ihren jungen Jahren unterstelle ich ihnen eben so ausgeprägte Naivität wie ich sie selbst auf LSD am Strand von Goa an den Tag gelegt habe. Ich habe kurz den Gedanken, sie zu warnen. Doch sie sind bereits völlig eingelullt von den Verführungskünstlern. Letztere möchten mich nur noch los werden, jetzt, wo sie andere, besser geeignete Opfer gefunden haben. Vielleicht haben sie auch Angst, ich könnte die Mädchen warnen. Das tue ich nicht. Aus irgendeinem Grund möchte ich den Lauf der Dinge an diesem Abend einfach nicht beeinflussen. Vielleicht weil ich bekifft bin. Sicher auch, weil die Jungs von der company zu dritt sind und ich nicht rausfinden möchte, wie sie reagieren, wenn ich ihnen in ihrer Privatwohnung das Geschäft versaue. Ich überlasse also die Mädchen ihrem Schicksal, wünsche ihnen, dass sie schlau genug sind und habe unterm Strich immerhin ein Gratis-Essen abgestaubt.

Mittwoch, 25. April 2012

Was, wenn der Teufel der Gute ist?


Als ich das Buch "Gottes geheime Gedanken" aufschlug, hat mir die Einleitung besonders gefallen. Dort wird von einem Wesen berichtet Namens "Llixgrijb", welches in einem Bereich ohne Höhe, Breite und Tiefe und ohne Zeit existiert. Dieses Wesen ist Gott und weil es so unendlich einsam, gefangen in dieser Dimension festsitzt und nichts außer Bewusstsein hat, schafft es sich seine eigenen Welten, ein Universum, ähnlich wie man sich wohl als Mensch in solch einer Lage etwas zusammenträumen würde.

Soweit zu dem Text in "Gottes geheime Gedanken". [Anmerkung: Die Idee zu dem Wesen "Llixgrijb" stammt ursprünglich aus "The Jamais Vu Papers" von Will Coleman und Pat Perrin]
Ich habe leider noch nicht die Zeit gefunden, das Buch komplett zu lesen. Beim Überfliegen der Kapitel konnte ich jedoch leider keine Stelle auf Anhieb entdecken, wo  dieses Wesen nochmal explizit erwähnt wird, bzw. wo über dessen Absichten philosophiert wird. Es geht in dem Buch jedenfalls darum, dass alles ein Bewusstsein ist (Llixgrijb), dass wir dieses Bewusstsein sind; ich und du und alles existierende sind quasi die Gedankenwelten des Wesens, das sich von der Einsamkeit in der einengenden Dimension ohne Handlungsmöglichkeit abzulenken versucht.

Nun gibt es ja viele spirituelle Bewegungen, mittels deren versucht wird, wieder "geistig" zu werden, Kontakt zu dem Urbewusstsein herzustellen, selbst das Urbewusstsein zu sein. Aufsteigen, Llixgrijb werden. 

Aber Llixgrijb will doch nichts lieber, als vergessen, in welch misslicher, aussichtsloser Lage es sich befindet. Es schafft sich eigens Welten, ein Universum, um abgelenkt zu sein, von der Tatsache, dass es völlig allein ist und es nichts gibt außer ihm selbst. Es will die unendliche Einsamkeit vergessen.

Damit komme ich zu meiner Frage: Was ist der Teufel? "Satan", "Mephisto", der "König der Lügen", der "König dieser Welt"? Ist es nicht möglich, dass Lixgrijb sich diese geistige Figur als fundamental notwendig ausgedacht hat, als unverzichtbaren Diener, der sein Vorhaben - ein Universum zu schaffen um zu vergessen - erst ermöglicht?
Die teuflische Kraft ist die, die das Bewusstsein verwirrt, die Lüge und Täuschung verbreitet, die das Bewusstsein in der Materie gefangen halten möchte, auf dass es Gott vergisst und ihm dient. Diese Kraft, der Teufel, könnte doch genau das sein, was das einsame Bewusstsein, gefangen in der Nicht-Dimension ohne Handlungsmöglichkeiten einsetzt, um sich selbst zu verwirren und zu täuschen, um die Illusion herbeizuführen, es sei nicht ein Bewusstsein, sondern viele, die untereinander interagieren, um die Illusion der Materie zu erschaffen und vor allem aufrecht zu erhalten.

Unter diesem Umständen wäre es nicht vom Bewusstsein gewollt, dass die Menschen wieder zu ihm zurückfinden und damit alle "spirituellen Bewegungen" absolut unlukrativ für "Gott". Denn was findet der Suchende am Ende? Sich selbst in dem Bereich ohne Höhe, Tiefe und Breite, Handlungsunfähig, unendlich einsam. Will er das finden? Will er nicht viel lieber bis in alle Ewigkeit dieser furchtbaren Tatsache entfliehen, unendlich viele Welten durchleben, in dem Glauben er sei viele und begegne Anderen, durch Vergessen, durch Täuschung, durch den Teufel?

Die Täuschung funktioniert ja anscheinend so gut, dass Teile von Llixgrijb sich wieder auf die Suche nach sich selbst machen. Das bedeutet, Lixgrijb hat erfolgreich vergessen. Will es sich erinnern oder nicht? Das ist hier die Frage.
Möglicherweise ist es dem Wesen Llixgrijb, so wie einem jeden Menschen auch, jedoch nicht möglich sich selbst komplett dauerhaft zu vergessen und so wird es vielleicht eines Tages zwangsläufig zu sich selbst zurück finden, so wie ein Psychotiker eines Tages aus seinen Wahngedanken erwacht und merkt, wie alles "wirklich" ist. Vielleicht ist das der Kreislauf des Universums: Llixgrijb erschafft sich Welten, um seine missliche Lage zu vergessen, dann vergisst es, aber gerade dadurch, dass es aufgespaltet ist in viele (möglicherweise unendlich viele "Einzelbewusstseinsteile"), fangen einige davon an, nach ihrem Ursprung zu suchen. Folge -> Llixgrijb findet sich eines Tages wieder, erschrickt über die "Wirklichkeit" und erschafft sogleich ein neues Universum, um zu vergessen. Ein ewiger Kreislauf?

Naja, ist nur so ne Idee. In Wirklichkeit ist natürlich alles ganz anders ;)

Dienstag, 24. April 2012

Liebeserklärung an die Stadt Varanasi

Mir ist es grad zufällig aufgefallen, und zwar, weil als einziger Bekannter bei Facebook der gute Divesh aus Varanasi online ist: Einst wandelte ich in dieser zauberhaften Stadt.
8:30 ist es hier, wolkenverhangen, während es in der Stadt des Todes 13:00 Uhr ist und, ich bin mir sicher, die Sonne alles brät, was nicht bei drei im Schatten ist.
Jetzt sucht man sich ein kühles Plätzchen in Varanasi, hängt auf den beliebten Ghats ab, trinkt irgendwo einen Chai (in der Hoffnung, dass er nicht mit Ganga-Wasser gemacht wird), und wandelt in einer Stadt umher, die seit ungefähr 3000 Jahren durchgehend bewohnt und damit eine der ältesten der Erde ist. Die Heiligen sitzen in unnachahmbarer Gelassenheit auf einer Mauer und rauchen ihre Chillums. Man kann sich dazu setzen, sie heißen einen Willkommen und nehmen einen auf, in ihre ruhige, zauberhafte Aura.
Das Leben lebt, nicht nur an den Ghats, auch in den engen Gassen, wo sich Menschen mit Kühen, abgemagerten Hunden und hupenden Mofas den Platz streitig machen, wo aus Geräusch- und Stimmengewirr, sowie einem Mix unterschiedlichster Düfte und durch die vielen bunten Farben und das wirre Treiben eine Atmosphäre entsteht, wie man sie in Europa vergeblich sucht.

Wenn es Nacht wird, und es ist vielleicht gerade ein besonders heiliger Baba gestorben, dann kann man eine Abschiedszeremonie erleben, wie man sie wohl nie wieder erleben wird. Da liegt wahrlich Zauber in der Luft.
Aber auch "gewöhnliche" Nächte in Varanasi haben es in sich. Man kann sich ein Boot mieten und wird über den nachtschwarzen ganga river gerudert; als ich das mit einer Gruppe anderer Reisender gemacht habe, hatte eine Amsterdamerin die nette Idee, hunderte Kerzen in kleinen Körbchen auf dem Fluss auszusetzen. Traumhaft ist mir diese Nacht in Erinnerung geblieben.
Man kann sich aber auch in die "Hinterstadt" wagen, wo die Millionen Einwohner Varanasis die Nacht verbringen: In unendlich vielen Bars und Restaurants, die in bunten Lichtern die sonst stockdunkle Nacht erhellen. Vorsicht ist hier geboten: Manche Hotels in der Altstadt lassen ihre Gäste Nachts gar nicht hinaus, aus Sorge, ihnen könnte etwas zustoßen.
Nicht Grundlos, diese Sorge, Varanasi hat immerhin eine der größten Heroinszenen Indiens, "the unholy side of Varanasi: The most pessimistic estimates state that about 30 kilograms of heroin is sold on the streets of Varanasi every fortnight".

Ich hatte in Varanasi ein paar der schönsten Tage dieses, mir mittlerweile fern erscheinenden Jahres und das lag nicht ausschließlich am Heroin. Höhepunkt für mich, die Nacht im Guesthouse mit dem netten Mädchen aus Kanada, die Portugiesin war, oder umgekehrt. Jedenfalls wollte sie weiter nach Portugal. Ich habe den Moment noch vor Augen, wo sie mir ein "Bidi" auf die Stirn klebt. "you are sooo beautiful" Oh welch grandioser Moment meines Lebens ;) Wo immer du nun auch bist, liebe Kanadaportugiesin, viele liebe Grüße!

Varanasi, ich liebe Dich! Bis eines Tages, ich komme wieder...


















Lustig: Gerade, wo ich diesen Post über Varanasi schreibe, chattet mich Divesh aus Varanasi an. Fast in dem Moment, wo ich seinen Namen geschrieben habe. Sein Kommentar: "this is god connection".
Ja, so sehe ich das auch ;) Beinahe meine ich, gerade den Duft dieser Stadt in der Nase gehabt zu haben...

Montag, 23. April 2012

Lächelnd in den Selbstmord

Hast du dir auch schonmal Gedanken über Selbstmord gemacht? Gleich vorneweg: Ich habe nicht vor, mich umzubringen, es ist also nicht notwendig, mir einen Notarzt vorbei zu schicken.
Ich unterstelle nun einfach mal, dass beinahe jeder sich irgendwann schon mal Selbstmordgedanken gemacht hat. Und ich muss zugeben, dieses Thema übt auf mich eine ungeheure Faszination aus. Mein Weltbild macht Selbstmord überflüssig, bzw. sinnlos und doch versetze ich mich gerne hinein, in Menschen, die denken, sie fielen mit ihrem Tod ins schwarze Nichts, in die endgültige Erlösung.

Das Leben drückt mich manchmal so in die Enge, ich bin manchmal so enttäuscht von allem, inklusive mir, dass ich mich erschöpft hinlege und dann kommen sie wie von selbst, die Gedanken über den von mir selbst herbeigeführten Tod. Bemerkenswert dabei ist, dass es mir sofort gut geht, wenn ich mir vorstelle, wie ich tot bin, wenn ich mir im Geiste ein grandioses Szenario für meinen eigenen Untergang ausmale, wenn ich mir naiverweise vorstelle, wie mich Familie und Freunde, ja am liebsten noch viel mehr Menschen vermissen und wenn ich mir vorstelle, wie sie beginnen, mich mit diesem anderen Blick zu sehen, so wie man Menschen eben plötzlich sieht, wenn sie tot sind.

Es ist ein narzistischer Wahnsinn, dieses Thema Selbstmord, ich bin mir darüber bewusst, doch kann ich mich dem Bann der Faszination nicht entziehen.

Was mir besonders gefällt, was ich auch mal aus einem Buch behalten habe, ist, das Phänomen, dass sich, ab dem Moment, wo man sich entschieden hat, sich zu töten, eine unbändige Leichtigkeit des Seins einstellt. Man ist ab dieser Entscheidung quasi unantastbar und macht Dinge, die man ohne diese Entscheidung wohl nicht getan hätte. Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass allein aufgrund dieser Entscheidung - sich zu töten - manch einer wieder ins Leben zurückgefunden hat. Weil die Vor-Selbstmord-Euphorie ihn an die schönen Seiten des Lebens erinnert hat.
Schon eine merkwürdige Sache, das Sterben... und vor allem die Gedanken darum.

Montag, 9. April 2012

Trennungsschmerz

Gerade habe ich mich spontan beim Kaffeetrinken gefragt, was eigentlich schwieriger ist: Von Heroin loszukommen oder von einer Frau?

Beides hab ich schon ein paar Mal erfolgreich hinter mich gebracht, wobei ich aber viele Monate gebraucht habe, um mich wieder einzufangen.

Das Loslassen ist nicht immer einfach. Aber vielleicht ist es auch nur nicht einfach, weil man es sich schwer macht oder es durch andere Umstände erschwert wird.
Gewöhnungen aufzulösen, dauert, so vermute ich mit mulmigem Magen, etwa genau so lange, wie sie herbeizuführen. 

Schön ist der Anfang, in ihm liegt all das Potential, all die Träume und Hoffnungen, hier spielt das Leben seine besten Karten aus.
Eines aber ist gewiss: Das Anfangs Schöne bleibt nicht lange, wie es ist. Ich habe mir sehr lange Zeit die Hoffnung gemacht, dass es möglich ist, das anfänglich Schöne aufrechtzuerhalten. Durch vorsichtiges Dosieren zum Beispiel. Nichts tötet Schönes, Spannendes, Angenehmes schneller als das Alltägliche. Das Alltägliche macht Aussergewöhnliches gewöhnlich und damit weniger neu, weniger aufregend, weniger lebendig. 

Ich meine, wer kennt das nicht: da hockt man mal einige Wochen nur aufeinander, im selben Zimmer und irgendwann, bei den einen früher, bei den anderen später, fängt irgendetwas an zu nerven. Man fühlt sich eingeschränkt, man ist sich doch nicht in allen Lebensbelangen ganz einig, man braucht seinen Freiraum, man braucht auf einmal eine höhere Dosis, die Euphorie, die einen am Anfang noch überwältigt hat, lässt nach.

Das kann man durch vorsichtiges Dosieren zwar eine Weile vermeiden, ich bin aber mittlerweile sicher, es geht nicht auf Dauer gut. Abstand ist gefragt, denn ohne genügend Abstand, entsteht die Gewöhnung, die nur schwer wieder aufzulösen ist.
Wenn man also im Begriff ist, sich an etwas/jemanden zu gewöhnen, gewissermaßen zu binden, sollte man sich genau ansehen, wer oder was das eigentlich ist, mit dem man da einen Tanz eingeht. Nicht, dass es am Ende der Teufel ist, getarnt als deine Wünsche und Hoffnungen, dessen Verkleidung erst nach und nach zerbröckelt, nämlich mit der Gewöhnung, mit dem Alltag.

Irgendwann streitet man sich auch, man entdeckt die Schattenseiten des Anderen, eigene Schattenseiten steigen plötzlich empor, als würden sie durch den anderen heraufbeschworen.
Das befreiende Gefühl vom Anfang ist weg, auf einmal kehrt es sich gar ins Gegenteil und man fühlt sich eingeschränkt. Trotzdem: Ist man dann allein, stellt sich dieses merkwürdige Gefühl ein, dass etwas fehlt. Wieso denn plötzlich? Im Lebensabschnitt vorher fühlte man sich doch auch komplett, ohne.
Die Gewöhnung ist also da und ab diesem Zeitpunkt bekommt man sie ohne Trennungsschmerz nicht mehr weg. 

Sicher gibt es Unterschiede zwischen der Entwöhnung von einer Beziehung und der vom Opiat.
Doch beides schmerzt den Geist, der den Anfang nicht vergessen kann. Der die warme Umarmung, die absolute Zufriedenheit, das Glück im Hier und Jetzt, das Verschmelzen mit der Gegenwart, der all die schönen Versprechungen nicht vergessen kann, die man sich Anfangs macht, die sich aber sicher nicht erfüllen werden.
Denn wer weiß, vielleicht ist das ein Prinzip des Lebens: Dass wir immer wieder durch Erfahrungen geführt werden, in denen es genau darum geht: sich von dem zu lösen, woran wir uns gewöhnt haben (Keine Anhaftung, alles soll im Fluss bleiben?) Es fühlt sich ungerecht an, dass man es hinter sich lassen muss. Aber eines bringt es auch mit sich: Man wächst und wächst und wächst...

Das Leben geht weiter.


[Dieser Beitrag ist, wie man unschwer erkennen kann, aus der Sicht eines männlichen Menschen geschrieben. Er kann aber, denke ich, auch umgedichtet werden auf die Perspektive einer Frau.]