Freitag, 23. März 2012

Eins, Zwei, Polizei

"Stuttgart 21", "Kommando Rhino in Freiburg" und ganz aktuell: "Kunsthaus Tacheles in Berlin". Das sind nur drei Beispiele für Begriffe, die bestimmte Assoziationen wecken. Etwa: Polizei, Gewalt, Zwang, Protest, Kapitalismus, Unrecht.
Es wird in Zukunft noch häufig geschehen, das freiheitsliebende Menschen von einem Grundstück oder einem bestimmten Gebiet verjagt werden, weil einer oder wenige Investoren auf einmal das dringende Bedürfnis haben, aus wertvollen Grundstücken möglichst viel Geld zu erwirtschaften.

Wahrscheinlich wird es immer nach einem ähnlichen Muster ablaufen: Eine Handvoll Menschen besetzen einen Wohn- Kunst- oder Freizeitraum irgendwo in zentraler Lage einer Stadt. Dort richten sie sich ein, leben teilweise viele Jahre lang da, der Ort wird zu einer beliebten Attraktion für alternative Touristen, (Überlebens)künstler, Weltenbummler. Eine schöne Sache. Menschen entfalten sich alternativ, ganz nach ihren Bedürfnissen. Kunst entsteht und gedeiht. Die heranwachsende Jugend wird inspiriert von einem Lebensstil, den sie aus Schule oder Ausbildung nicht kennt und vielleicht niemals kennen gelernt hätte. Es entsteht einfach ein Raum für Freiheit. 

Doch dann die Wende: Natürlich gehört irgendjemandem das Grundstück/das Haus und dieser Jemand hat vielleicht Jahre oder Jahrzehntelang aus irgendwelchen Gründen stillschweigend hingenommen, dass sein Besitz alternativ bewohnt wird. Doch entweder packt ihn selbst die Geldgier oder er wird von anderen gierigen Investoren gedrängt, das tolle Grundstück in guter Lage kapitalistisch auszunutzen oder er wird zu einem Verkauf überredet. 
Dann geht es los. Anstatt sich mit den freien Menschen irgendwie zu einigen, um für beide Seiten eine gute Lösung zu finden, anstatt einen Kunst- und Kulturraum zu erhalten, der sich teilweise über viele Jahre entwickelt hat und in der Blüte steht, wird der gierige Plan der Kapitalisierung zum Wohle eines oder einiger weniger Investoren umgesetzt. Fast immer mit Gewalt.

Dass sich ein Mensch oder eine kleine Gruppe von Menschen auf Kosten von manchmal vielen Tausend Menschen bereichern will, das ist eigentlich etwas Assoziales und sollte von einer Gesellschaft unterdrückt werden. Menschen wird ihr Zuhause weggenommen, Künstler werden ihrer Existenzgrundlage beraubt und Städte verlieren wertvolle alternative Kultur. Und das ist nur möglich, weil die geldgeilen, egoistischen Kapitalisten ihre Schlägertrupps haben. Diese Schlägertrupps sind nicht mehr und nicht weniger als unsere Polizei! 
Ich finde ja, dass man eine Polizei durchaus sinnvoll einsetzen kann. Sie soll vor gewalttätigen Menschen schützen, vor Leuten, die andere ernsthaft gefährden. Ich denke, dass man als Mensch ein Gefühl für Recht und Unrecht hat. Und ich habe immer öfter das Gefühl, das etwas Unrechtes, etwas Unschönes geschieht, wenn ich Polizisten im Einsatz sehe. Sie gleichen mehr der Leibwache eines dunklen Fürsten, als dass sie wie meine Freunde und Helfer erscheinen.
Sie unterstützen die unsozialen Kapitalisten, die hart und unbarmherzig gegen alternative Kultur und Kunst und Freiräume vorgehen. Überall geschieht es...immer wieder!

Warum dürfen wir keine alternative Kultur haben? Sollen wir in einer grauen, traurigen Welt leben, ohne Farben, ohne Freude, ohne Lachen? Warum unterstützt die Polizei im Auftrag des Staates das Sterben der Freiheit? Diese umstände sind es, die uns Menschen so fertig machen, diese Umstände schaffen erst Gewalttäter! Weil niemand in einer freundlosen, grauen, eintönigen Welt leben möchte. In einer solchen gehen wir zugrunde und werden krank.

Das Problem sind gar nicht mal die fiesen kleinen, kaltblütigen, freudlosen Investoren, die die Welt ihrem emotionalen Zustand entsprechend Umgestalten wollen. Man könnte ihnen, wenn sie mal wieder mit neuen Bau- und Abrissplänen aufkreuzen, einfach auf die Schulter klopfen und sagen:" Ist gut, Junge, setzt dich mal da drüben hin, trink ein Bier, rauch einen Joint und komm runter von deinem Egofilm..."
Das kann man aber nicht tun, wenn sie mit einer Hundertschaft gepanzerter und bewaffneter Polizisten anrücken, die alles prügeln und gewaltsam festnehmen, was sich den Plänen des Kapitalisten widersetzt.

Das Problem ist die Polizei!

Die moderne Polizei, die, anstatt gegen das Verbrechen anzugehen, jetzt Verbrecher gegen die Menschlichkeit unterstützt.
Was geht in den Polizisten vor, sind sie zu emotionslosen Dienern verkommen? Händigt man ihnen neuerdings ein Medikament aus, welches sie gefügig und gehorsam macht? Nur diese Menschen, die sich in Zukunft immer öfter zwischen die Bürger und den Staat stellen werden, zwischen die Bürger und die Kapitalisten, nur diese Leute sind das Problem. Ohne sie würde man die ganzen Bürokratiespinner einfach ignorieren und die Sache wäre gegessen. Wenn die Polizei doch nur aus verständnisvollen Menschen bestehen würde...es wäre so einfach. Keiner würde den Spinnern dienen, man würde nur wahre Verbrecher jagen. Wozu sicher auch der ein oder andere Investor zählt...

Ihr da draussen, die ihr Polizisten werden wollt: Krempelt den Laden um, seid Menschlich. Am liebsten wäre mir, wenn einfach keiner mehr Polizist werden würde. Wenn dieser Verein aussterben würde. Wenn die Gesellschaft sich menschlich um sich selbst kümmert und erst gar keine Bedingungen für wahres Verbrechen entstehen könnten. 
Das wünsche ich mir insgeheim und wenn auch nur, um die Gesichter der ganzen Bürokratie-Irren zu sehen! Nur um das einmal zu sehen, wie sie sich ihre Stapel von Anträgen, Verfügungen und Verträgen in den Arsch stecken können! Weil sie einfach keiner ernst nimmt.

Wenn man einen Schlägertrupp braucht, um seine Interessen durchzusetzen, dann können das keine guten Interessen sein!

Dumm und glücklich

Spürst du sie auch manchmal, die Last der Gedanken? Im Grunde ist die Welt in Ordnung, aber du machst dir alles schwer, allein dadurch, dass du bestimmtes denkst? Gut, ich möchte hier lieber nur von mir selbst schreiben, denn wahrscheinlich ist es bei anderen anders...

Es war entweder auf einem LSD-Trip oder vielleicht auch auf einer Kombination mehrerer Psychedelika, da ist es mir aufgefallen - nicht unbedingt zum ersten, aber sicher zum deutlichsten Mal. Nämlich dass meine Persönlichkeit im Grunde nichts weiter ist, als ein Konstrukt meiner Gedanken, welches dadurch aufrechterhalten wird, dass ich bestimmte Dinge denke. Nun hat ja LSD die Eigenschaft, diese Gedankenkonstruktion, die Persönlichkeit oder das Ego (egal wie man "es" nennen möchte), hinfortzuspülen, einfach aufzulösen. Und es kam mir damals, vor etwa 6 Jahren, bedrohlich rein: Ich war mir sicher, wenn ich jetzt nicht weiterhin so denke wie gewöhnlich, dann löse ich mich in Nichts auf! Dann verschwinde ich einfach. All die Materie, die mich umgab, meine Welt und ich in ihrer Mitte, alles hing davon ab, wie und was ich dachte. Stoppte ich das Denken, verschwünde auch die Welt. Ich war sehr überrascht, weil ich das so noch nicht kannte. Ich betrieb ja keine Meditation und war mit LSD relativ neu am rumexperimentieren. Also habe ich Angst bekommen und versucht, weiter so zu denken wie gewöhnlich.
Ich habe es geschafft, doch denke ich heute, dass ich besser hätte loslassen sollen. Denn eines habe ich gelernt: Man kommt immer zurück, von einer Psychedelika-induzierten Ich-Auflösung. Auch wenn es zu deren Beginn nicht so scheint. (Vorausgesetzt, man liegt einfach nur da, in sicherer Umgebung und läuft nicht umher, wobei nämlich durchaus was fatales passieren kann). Die Ich-Auflösung, von der man nicht wieder kehrt, ist der Tod.

Und dieses Gefühl ist geblieben. Dass ich die Realität "auflösen" kann, wenn ich meine festgefahrenen Gedankenbahnen verlasse, quasi meine Persönlichkeit ablege. Ich bin nur einen Gedankenhauch davon entfernt, alles zu verändern. Und du auch! 
Viele nennen es gerne "verrückt werden" oder so. Ich finde es einfach nur interessant. Kaum etwas hat mich je wieder so fasziniert, wie die Gewissheit, dass alles, woran ich mich so gewöhnt habe, im Laufe des Lebens, dass all das "nur" von Gedanken getragen wird, die sich so schnell verflüchtigen können.
Ich habe seither beschlossen, eine "leichte" Persönlichkeit zu sein. Sprich, mich gar nicht erst so sehr verheddern und irgendwelche abgefahrenen Persönlichkeitsstrukturen erschaffen. Denn je mehr ich so etwas betreiben würde, desto schmerzhafter würde irgendwann der Abschied werden. Und den Abschiedsschmerz, den ich schon bei meiner rudimentären Persönlichkeit damals gespürt habe, der war mir bereits genug. Je weniger Balast man hat, desto zufriedener ist man wohl. Aber desto weniger ist man auch "bodenständig". Vielleicht ist es eine Art "dumm und glücklich".

Aber...kann ja jeder handeln wie er möchte. Ich bin sicher, es gibt Leute, die erschaffen sich großartige Persönlichkeitsstrukturen, halten ihr ganzes Leben daran fest und lassen dann am Ende einfach los, fallen wie bei einem Bungee-jump. Bewundernswert!

Dienstag, 6. März 2012

Indienreise, Teil 9 - Man kann sich nicht immer freun

Ich habe nach wenigen Tagen in Hampi eine Unterkunft bezogen, mit der ich völlig zufrieden bin; ein nettes Restaurant gibt es und Hängematten, von denen aus man kiffend dem Fluss zuschauen kann, wie er sein Wasser elegant auf Reisen schickt. Abends und Morgens kommt der Dorf-Elefant in menschlicher Begleitung an den Fluss geschlendert und wird dann dort gewaschen. Durchaus sehenswert!
Es ist ein heisser, wolkenfreier Nachmittag, als ich mich entschließe, mir die Ruinen nun mal anschauen zu gehen. Eigentlich bin ich ja gar nicht so der Sightseeing-Typ. Was mich antreibt, auf so eine typische Touri-Tour zu gehen, ist fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Das Gefühl, die Gegend richtig kennen lernen zu müssen. Ich kann doch schließlich nicht einfach wieder gehen, ohne "was" gesehen zu haben. Also geh ich eben los und schau mir was an...
Naiv von mir zu glauben, ich könnte - wonach mir durchaus der Sinn stand - alleine auf Tour gehen. In Indien ist man nur selten allein. Nur schade, dass es dabei, wie schonmal erwähnt, nur selten um wirkliche Gastfreundschaft geht. Ich schaffe es, einen Tempel alleine zu besichtigen und dabei entsteht in mir eine leichte, kindliche Freude, denn ich versetze mich in die Vergangenheit, stelle mir vor, wie das Leben hier vor vielen Jahrhunderten geblüht hat, wie die Menschen wohl gelebt haben könnten. 
Aus dieser Tagträumerei reißt mich allerdings ein junger Inder, etwa in meinem Alter, der wie ich mit dem Fahrrad unterwegs ist. Mit "hello friend", begrüßt er mich und mich beschleicht sofort der Verdacht, dass aus meiner Solotour heute nichts mehr wird. 
Er hat eine große, kugelförmige Beule am Arm, ein Krebsgeschwür? Ich möchte mir die Ruinen anschauen, ja, welche als nächstes, keine Ahnung! "Come on, i show you. Let's go together, as friends!"
Ich steige mit gewissen Vorahnungen auf mein Fahrrad und fahre mit ihm mit. Noch bin ich nicht besonders lange in Indien, doch eines ist mir bereits klar geworden: Diese Situation wird damit enden, dass er Geld für irgendwas haben möchte. Entweder, er möchte mir seinen Shop zeigen, oder er ist ein Touristenführer, oder, oder, oder...
Ich nutze seine vermeintliche Freundlichkeit und lasse mir den Weg zu den Haupttempeln zeigen, den ich zugegebenermaßen nicht unbedingt so schnell gefunden hätte. Aber wollte ich ihn denn überhaupt schnell finden? Wollte ich nicht vielmehr ganz gemütlich - und vor allem - alleine auf Besichtigungstour gehen, die Umgebung vor meinem inneren Auge in jene von vor einigen Jahrhunderten verwandeln, eine Art geistige Zeitreise antreten? Angesichts dessen stört mich der Typ schon jetzt gewaltig, und ich unternehme erste Abwimmelversuche. "Money? No money, just as friends!", bestätigt er meine Nachfrage, ob er mir den Tempel wirklich umsonst zeigen möchte. Denn finden würde ich ihn ja auch selbst und vermutlich würde mir das auch mehr abenteuerlichen Spass bereiten.
Wir erreichen den höchsten Tempel, erbaut auf einem kleinen Berg, von dem aus man eine atemberaubende Aussicht hat.


Doch dies in vollen Zügen zu genießen, wird mir verwährt, denn auf den gewaltigen Stufen, die man zum Tempel hinauf erklimmen muss, bei bratender Hitze und trockener Wüstenluft, zieht mein Begleiter eine Karte hervor und überreicht sie mir. Der Schweiß läuft mir in Bächen herunter und ich lese. "This is my job!", sagt er und es bestätigt sich, was ich befürchtet habe. Da steht der Name eines Touristenführerunternehmens und eine Preisliste. Unverschämte Preise, wie ich finde. Das ist was für alte Omas vielleicht, für Leute, die sich nicht alleine zurechtfinden. Ich aber möchte sehr gerne alleine weitergehen, doch ich schaffe es nicht, dem Pseudoführer das klar zu machen. Denn auf einmal versteht er sehr schlecht Englisch. Und ich erfahre, zu meinem leichten Entsetzen, dass bereits die Führung zu diesem Tempel, die wir hinter uns haben, Geld kosten soll. 400 Rupies, immerhin 7 Euro etwa. Dabei habe ich ihm den Ganzen Weg mehr als deutlich gemacht, dass ich alleine gehen möchte, etwa, in dem ich ihn einfach vorlaufen lasse und mit Abstand nachkomme, oder ihm fast irgendwie davonflüchte. Doch er lässt sich einfach nicht abwimmeln.
Oben genieße ich trotzdem die Aussicht und mache Fotos. Ich überlege mir währenddessen, wie ich ihn loswerde. Er klebt wie eine Klette an mir dran.
Ich lasse mich noch von etwas warmer Luft in dieser angenehmen Höhe umwehen, dann trete ich den Abstieg an.
Die Stimmung wird angespannter. Er will Geld von mir haben und ich versuche ihm klar zu machen, dass das völlig unverschämt ist, weil ich ihn nicht als Führer haben möchte. vergebens, Er spricht zwar Englisch, doch selbiges verstehen, tut er scheinbar nicht.
Er stößt mit dem Finger auf meine Brusttasche: "There you have money!" 
Zum ersten Mal mache ich mir Gedanken über die potentielle Gefahr, die dieser Situation beiwohnt: Ich befinde mich mitten in einer wüsten, felsigen Gegend, weit und breit kein Mensch, nur wir beide, die wir uns fast schon ums Geld streiten. Wird er handgreiflich werden? Wie wird das hier ausgehen, denke ich bei mir und schiebe nach dem letzten gescheiterten Erklärungsversuch, dass er kein Geld bekommen wird, einfach mein Fahrrad los und fahre weg. Er fährt natürlich hinterher und schimpft irgendwas. Dann kommen wir an einem Tempel vorbei, wo ein Wachmann steht. Ich bin erleichtert,  fahre auf ihn zu, und rede kurz mit ihm. Mein wütender Führer fährt weiter. Ich bleibe dort eine kurze Weile und breche dann schließlich auf eigene Faust wieder auf. 
Doch es ist nicht wie am Anfang. Ein grauer Schleier der Enttäuschung liegt über meiner Wahrnehmung. Ständig mich umschauend, ob der unangenehme Zeitgenosse nicht nochmal irgendwo lauert (vielleicht mit Freunden, mit denen er mich dann ausraubt), fahre ich umher und beschaue mehr halbherzig die weitläufigen Tempelanlagen.
Sehr schade, dass die Armut die Menschen in diesem Land so aufdringlich handeln lässt. Vielleicht ist es aber auch eine Eigenart der Inder selbst, sie erscheinen mir auch auf der weiteren Reise oft wie falschfreundliche, sehr gewiefte Betrüger. Nicht alle, selbstredend, zumeist die sehr armen, doch finde zumindest ich, dass man nicht lügen und trügen muss, um an Geld zu kommen. Nicht in dem Ausmaß, wie man es in Indien als Tourist sicher zu spüren bekommen wird (siehe die Geschichte mit den Diamantengeschäftsmännern. Dieses Angebot wurde mir während der weiteren Reise übrigens noch mindestens 3 Mal gemacht. Dazu in weiteren Berichten mehr).