Sonntag, 16. Oktober 2011

Indien, Teil 8 - was man nicht alles macht

Ich kiffe mich verträumt durch eine weitere Woche und lebe halt so vor mich hin. Bis ich eines Tages feststellen muss, dass das Geld, welches ich in Goa noch abgehoben habe, jetzt aufgebraucht ist. Und in Gokarna, das habe ich unwillig einsehen müssen, funktioniert meine Geldkarte nicht an den zwei vorhandenen Automaten. Ich muss also, ob ich möchte oder nicht, den Ort verlassen. Und wenn es nur kurz zum Geldholen ist. Naja, halb so wild.
Was hab ich da im Lonely Planet gelesen, es gibt nicht allzu weit weg einen Ort, den man sich unbedingt anschauen sollte. Hampi.














Hampi war im Mittelalter eine blühende Hindustadt. Heute sind die weitläufigen Ruinen eine Attraktion für Touristen und ein echt klasse Ort für Backpacker. Fast so toll wie Gokarna. Nur gibt es anstatt dem Meer felsige Wüste und trockene Luft. Durch das kleine bewohnte Dorf, inmitten der Ruinen, fließt ein breiter Fluss, der in der Monsunzeit noch viel wasserhaltiger sein soll. Nirgends gibt es eine Brücke; um ans andere Ufer zu kommen, steigt man in ein kleines Motorboot, das den ganzen Tag hin und her fährt.
Drüben, am andern Ufer gibt es die gemütlichsten Guesthouses.
Für die besichtigung der Ruinen kann man sich entweder ein Fahrrad oder ein Motorrad ausleihen. Um zu Fuss zu gehen, muss man schon das Laufen sein Hobby nennen.
Bevor ich allerdings dazu komme, auf Besichtigungstour zu gehen, arrangiert der Teufel noch schnell eine kleine Begegnung für mich: Da schlendere ich gerade so durch die Hauptstraße des Dorfes, mit ihren vielen Läden und Ständen an den Seiten, es herrscht viel Trubel, als von hinten ein dickerer Inder mit zusammengebundenen, langen Haaren auf dem Mofa angefahren kommt und neben mir langsamer wird. "Hasch? Marihuana?", fragt er mich und achtet nicht mal darauf, ob ihn vielleicht die falschen hören könnten. Weiter vorne sehe ich Polizisten patroullieren, mit langen Stöcken.
Ich habe, gut versteckt, noch einen Rest Hasch aus Gokarna dabei und bin also nicht bedürftig. Zuerst ignoriere ich ihn und laufe ohne Blickkontakt weiter. "Hasch? Marihuana?" Er bleibt an mir dran, doch ich vesuche, mich nicht beirren zu lassen. Dann fällt dem Teufel etwas ein und er lässt den Typ auf dem Mofa sprechen:" Hasch? Opium?" Ich werde langsamer und will es eigentlich nur denken, doch ich wiederhole leise: "Opium?" Auf einmal hat der Mann meine Aufmerksamkeit. Es ist doch wie verhext, dem starken Zauberbann der Mohnin kann ich mich einfach nicht entziehen. "Follow me in my restaurant!" So, er führt also zur Tarnung ein Restaurant? Ich gehe an den Gästen vorbei, die ganz legal ihr bestelltes Essen vertilgen und fühle mich auf einmal unheimlich kriminell. Ich muss an die Polizisten denken, die mich vielleicht gesehen haben könnten, wie ich mit diesem Dorfbekannten (?) Dealer mitgehe. Ich werde in einen Raum neben der Küche geführt, der etwas von einem Verließ hat. Großartig, es funktioniert: Was ich denke, wird Wirklichkeit.
Also versuche ich, nicht mehr ans Gefängnis zu denken. Leicht ist es nicht. Ich warte dort 5 Minuten, dann kommt der dicke und zeigt mir sein Opium. Ein Zehn Gramm Klumpen für knapp 30 Euro? Verführerisch, doch ich denke auch an die Folgen. Auf einen Entzug im heißen Indien, allein ohne Bezugsperson habe ich weniger Lust. Aber wer Mohn kennt, weiß wie das ist: Kurze Zeit später laufe ich mit dem Opiumklumpen in der Tasche durchs Dorf zu meinem Guesthouse. Ich bin dabei sehr paranoid, denn der Inhalt meiner Taschen, das ist mir bewusst, ist die Eintrittskarte für ein potenzielles Jahrzehnt im menschenunwürdigen, Indischen knast.

[Ich denke heute, dass ich Anfangs zu überängstlich war. Außer dem einen Vorfall in Goa kam ich nämlich während der gesamten Reise nicht mehr mit der Polizei in Kontakt, nur vielleicht um kurz nach dem Weg zu fragen. Aber man muss ja erstmal das Risiko einschätzen lernen.]

Im Zimmer angekommen, esse ich voll freudiger Erwartung ein Stück Opium. Ich muss mir Stunden später eingestehen, dass das Material wohl stark gestreckt ist und wenn überhaupt, dann nur ansatzweise Opium enthält. Ein Wink mit dem Zaunpfahl aus dem Garten Eden? Ich schmeiße den Dreck weg und will von Opium erstmal wieder nichts mehr wissen. Dieses ewige Hin und Her! In was für zwischenmenschliche Abgründe einen die Vorliebe für derlei Substanzen doch immer wieder führt...

Montag, 3. Oktober 2011

Indien- Reisebericht, Teil 7: Die Seele baumeln lassen in Gokarna

Klinken wir uns doch etwa eine Woche später wieder ein. Mittlerweile habe ich Goa verlassen, weil ich es eingesehen habe, dass dieser kleine Bundesstaat mir irgendwie nicht gut tut. Mir graust es beinahe vor Goa und ich erhoffe mir, im weiter südlich gelegenen Gokarna ein paar Traumstrände ausfindig zu machen und weniger sinnlose Partys ertragen zu müssen. Partys, die versuchen, ein Konzept des Zusammenseins nachzuahmen, das sich im heutigen Goa oder vielleicht auch im ganzen heutigen Indien wohl nicht mehr richtig verwirklichen lässt. So jedenfalls mein Eindruck
Die Busfahrt nach Gokarna ist auffällig entspannt. Ich habe ein gutes Gefühl, dort hin zu fahren, denn Gokarna ist ein sehr heiliger Ort für die Hindus. Nicht so wie der Partystaat Goa. Ich sehne mich nach weniger aufdringlichen Händlern und nach Nüchternheit. Denn eigentlich hatte ich ja vor gehabt, Indien möglichst Drogenfrei zu erkunden. Dieses Vorhaben sollte sich allerdings nur teilweise umsetzen lassen.

Nach der Ankunft fahre ich mit einer Rickshaw durch hügelige Dschungelwälder und staune nicht schlecht als sich auf einer Seite plötzlich ein sagenhafter Blick ins Tal hinunter bietet, wo der Dschungel in einen Traumstrand und dann ins im Abendlicht glitzernde Meer übergeht. Da will ich hin!
In Gokarna kosten die Unterkünfte höchstens halb so viel wie in Goa. Das freut mich, angesichts meiner doch recht knapp bemessenen Geldvorräte, mit denen manch einer vielleicht gar nicht erst los geflogen wäre. Einen Rückflug habe ich noch nicht und im Land bleiben möchte ich mindestens 3 Monate.
Ich laufe den Om-Beach entlang, der tatsächlich die Form eines "Om" hat, wenn man von der richtigen Seite aus schaut. 

Dort finde ich schnell eine Unterkunft, die mir gut passt. Viele einfache Lehm- oder Strohhütten in einem Palmengesäumten Garten für fast nichts. Ich beziehe Quartier. Am Abend, nach einem Thali (Reisgericht), treffe ich auf einen kiffenden Franzosen. Und wieder schiebe ich meine Vorsätze beiseite, denn die Neugier ist einfach zu groß. Ich habe schon öfter gehört, dass in Indien auch das Haschisch von überragender Qualität sein soll. Ich bin aber wenig beeindruckt, als der Franzose mir schließlich den Joint übergibt und ich ein paar Mal daran gezogen habe. Das ist echt mieses Zeug, obwohl es gut aussieht. Ein Typ aus Israel gesellt sich zu uns. Er hat "stomach problems", was so viel bedeutet wie Dünnschiss. Ich für meinen Teil hatte das einen Tag lang in Goa und hoffe, dass es sich damit auch erledigt hat. Mein Magen, so denke ich fast stolz, hat sich sehr schnell an die doch recht andere Kost in diesem Land gewöhnt. Oder vielleicht hat es bei mir nur einen Tag gedauert, weil ich in Goa noch ein Tuch bei einem Shop gekauft habe; und die nette Verkäuferin mich daraufhin großzügigerweise nicht mit einem Fluch belegt hat, der mich den Rest meines Leben hätte scheissen lassen. Doch ich wog mich zu früh in Sicherheit. 
Auch der Israeli ist zur Genüge mit Hasch ausgestattet, so wie eigentlich jeder Tourist, den ich auf der ganzen Reise getroffen habe. Die beiden haben ihr Zeug aus Goa. Ich werde erst zu einem späteren Zeitpunkt der Reise erfahren, dass es in Indien eigentlich nur noch eine Region gibt, wo man den echten Charas kaufen kann. Nach einer merkwürdigen Konversation - der Franzose spricht und versteht nur mäßig Englisch, so wie ich wiederum nur mäßig Französisch verstehen und sprechen kann - gehe ich dann doch etwas bekifft in meine Hütte und mach's mir unterm Mückennetz gemütlich.
Am nächsten Tag, der so sonnig ist wie fast alle Tage zu dieser Jahreszeit, fällt mir auf, dass ich ja noch gar nicht angebettelt worden bin. Genauso wenig hat irgendjemand versucht, mir etwas anzudrehen. Es laufen zwar Händler am Strand entlang, doch bald stelle ich fest, dass sie lange nicht so aufdringlich sind wie in Goa und sich in fast allen Fällen mit einem freundlichen "no, thanks" abwimmeln lassen. 
Ich schaffe es dann tatsächlich, in einem Zeitraum von etwa einer Woche, keine Drogen zu nehmen. Außer die kleinen lustigen Bidies natürlich, die ich inzwischen anstelle von Zigaretten rauche. In dieser Zeit wechsele ich die Strände und Unterkünfte um Gokarna, wobei ich stets kleine Strohhütten bewohne. Es geht alles so locker und harmonisch zu, dass ich mein Gepäck einfach in einer Hütte liegen lasse, die man nicht mal abschließen kann. Sind ja nur Hippies da. 

Die meiste Zeit verbringe ich in Hängematten und im Meer. Ab und zu quatsche ich mit diesem und jenen, wandere zwischen den Stränden durch den hügeligen Dschungel hin und her und probiere die Speisekarten der Küchen durch, die mir völlig neue Aspekte der kulinarischen Welt eröffnen. Mein Kopf ist inzwischen wieder recht klar und ich habe eigentlich vor, diese Klarheit weiter auszubauen. Eines Tages allerdings, ich bin gerade unterwegs zwischen Om-Beach und Halfmoon-Beach mit dem Ziel Paradise Beach, da höre ich geflüsterte Rufe aus einem Gebüsch am seitlichen Hang. Ich schaue hin. Ja, ich bin tatsächlich gemeint. Da steht jemand mit Baseballcap hinterm Busch auf und schaut sich um. Die Luft ist rein. "Manali Cream?", fragt er mich. Ich weiß zufällig, dass das eine Haschischsorte ist. Und dann geht es wieder los in meinem Kopf, nüchtern oder nicht? Ach was ist schon ein bisschen Kiffen, ich kann mir das Dope ja zumindest mal anschauen. Schwups sitze ich neben ihm hinterm Busch. Es gibt gleich 4 Sorten Hasch im Angebot und Gras, das wie Heu aussieht. Die teuerste Sorte Kostet 1800 Rupees. Das sind 30 Euro. Dafür bekommt man dann 10 - 12 Gramm. Weniger kaufen geht nicht. Entweder die ganze Wurst oder nichts. Ich sage ihm, dass ich gleich mit Geld zurück komme. 
Später sitze ich vergnügt in meiner Strohhütte und drehe den ersten Joint. Die teuerste Sorte wirkt richtig gut. Dass es sich aber auch dabei um stark gestrecktes Material handelt, so wie man es in beinahe ganz Indien erhält, dass weiß ich noch nicht. Und mit was es teilweise gestreckt wird, zum Glück auch nicht. 
Die folgenden Tage vergehen hauptsächlich derart, dass ich an verschiedenen Orten Hasch rauche. In der kleinen dunklen Hütte morgens, in der kleinen dunklen Hütte Abends zur Moskitozeit, am Badestrand, auf einem felsen bei Sonnenaufgang...