Sonntag, 29. April 2012

Indien- Reisebericht, Teil 10: Begegnung mit "neuen, alten Bekannten"

Gerade habe ich wieder über Indien nachgedacht, über meine Reise vor einem Jahr, über den verplantesten und leichtsinnigsten Trip, den ich bisher zustande gebracht habe.

Übrigens habe ich jetzt eine eigene Seite eingerichtet, oben, mit dem Titel "Indienreise". Dort steht ab jetzt der Komplette Reisebericht zusammenhängend und wird in Zukunft Stück um Stück ergänzt, wenn ich es schaffe, mich gegen den inneren Schweinehund durchzusetzen und ab und zu weiter zu schreiben, an dem Bericht, den ich letzten Herbst angefangen habe! Ich denke aber, das bekomme ich hin, schließlich erinnere ich mich gerne zurück an die außergewöhnlichen Erlebnisse im Subkontinent und ich kann manchmal nur den Kopf schütteln über meine Naivität, die ich dort an den Tag gelegt habe.

Nun aber zum Thema: 

Ich suche nach meinem Aufenthalt in Hampi noch einmal das schöne Gokarna auf, entspanne mich nüchtern am Strand, treffe dort nette Menschen und habe das Gefühl, so langsam "rein zu kommen", in meinen Trip. Ein sonniges Gefühl stellt sich ein.
Da ich aber nicht die gesamte Reise an südwestindischen Stränden verbringen möchte, sondern noch einige andere potenzielle Ziele im Kopf habe, mache ich mich eines Tages auf richtung Norden. In der Mitte Indiens weiß ich nicht so recht wohin, blättere ein wenig im Lonely Planet und entschließe mich schließlich, die Höhlen bei Ajanta anzusehen. Diese Höhlen wurden von frühen Buddhisten mit Steinen als Werkzeuge in massiven Fels geschlagen. So lautet jedenfalls die offizielle Erklärung. Eine andere Theorie besagt, sie wurden von Außerirdischen geschaffen. Wenn man vor Ort ist, glaubt man eher Letzteres.

















Meine eigentlichen Ziele liegen aber weiter nördlich. Rishikesh möchte ich mir ansehen, nicht nur, weil die Beatles bereits 1968 dem Ort einen Kultstatus verliehen und es ein Muss für Backpacker in Indien ist, sondern auch, weil ich zufällig in Hampi erfahren habe, dass ein Rainbow-Gathering dort in der Nähe stattfinden soll. Ich kenne die Energien, die auf Goapartys fließen, habe aber über die Rainbows gehört, dass es auch dort sehr schön sein soll. Also wollte ich daran teilhaben, an diesem Gathering. 
Ein weiteres Ziel, ganz oben im letzten Zipfel Indiens, ist Manali. Dort soll es das beste Hasch geben.
Also bewege ich mich binnen weniger Tage durch halb Indien mit Zug und Bus. An dieser Stelle möchte ich jedem, der mal in Indien mit dem Zug fahren möchte, ans Herz legen, sich einen Sitzplatz zu reservieren. Ich hatte Glück, dass ich im Zug, auf der Suche nach freier Sitzfläche für eine 12-stündige Fahrt nach Delhi, einen freundlichen Hindu mit seinem Sohn getroffen habe, der mir nicht nur die Hälfte der Liegefläche seines Sohnes, sondern auch noch einen nicht zu verachtenden Anteil des Essens, das ihm seine Frau mitgegeben hatte, regelrecht aufgedrängt hat. Aber freundlich. Es gibt sie also doch, die ehrlich freundlichen Inder, stelle ich dort im Zug erfreut fest. Natürlich, warum auch nicht?
Ein Taxifahrer, der mich eines Morgens, als ich gerade verschlafen aus einem Sleepingbus steige, sogleich in Beschlag nimmt, versucht mir den Bären aufzubinden, dass an diesem Tag keine Busse fahren würden, weil Indien am Vorabend Pakistan im Cricket besiegt hätte. So eine Art spontaner nationaler Feiertag, "today, whole India no bus!" Das mit dem Sieg gegen Pakistan stimmte tatsächlich, als ich aber den Taxifahrer, der mich für viel Geld an mein nächstes Etappenziel fahren wollte, endlich losgeworden bin und am Busbahnhof ankomme, herrscht dort ganz normaler Betrieb. Naja, netter Versuch.

Irgendwann bin ich dann in Rishikesh. Ich bin so fertig, möchte nichts als schlafen, doch was ist das: Beinahe alle Guesthouses sind voll belegt! Hochsaison im etwas kühleren Rishikesh um diese Zeit, im März. Im "Bombay Guesthouse" ist es Tradition, dass Besucher in der Hochsaison mit einer einfachen dünnen Matte ausgestattet für 50 Rupees auf dem Dach schlafen können und dann in ein Zimmer nachrücken, wenn eines frei wird. Ich kaufe mir noch schnell ein Stückchen "Charas", rauche was davon und falle dann in einen sehr tiefen Schlaf auf besagtem Dach. 
Auf dem Weg nach Rishikesh habe ich so viel wild blühenden Hanf gesehen wie noch nie. Die ganze Fahrt über strömte der süßliche Duft in den Bus hinein. Doch auch dieses Charas ist zwar gut, doch lange nicht das, was man eigentlich bekommen kann. Ich spüre aber, dass ich dem wahren Charas auf den Fersen bin! Mittlerweile weiß ich, dass die typischen Straßenhashverkäufer alles mögliche Charas nennen. Ich weiß auch, dass es teilweise Kuhscheisse ist, mit der sie ihre Ware Strecken. Der optische Unterschied ist marginal.

Ich verbringe einen Durchhängertag in Rishikesh, wo es untertags doch recht heiss wird. Beim Frühstückschai treffe ich ein Mädchen, das mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich kann sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einordnen. Ich bin erschöpft und habe einen Mückenstich am Auge, der mich nervt.
Später am Tag laufe ich gerade über die lange Brücke, die glaube ich "Laksman Jhula" heisst, und die beiden Hälften Rishikeshs verbindet, den oberen Teil mit den vielen Guesthouses, der eher für Touristen konzipiert ist und den unteren Teil wo die Bevölkerung hauptsächlich lebt. Der Ganges ist hier kristallklar und glänzt wunderschön im Sonnenschein. Plötzlich kommen zwei Inder mit dem Roller angefahren. Das obligatorische "hello friend, where you from?" Sie lullen mich ein und wir gehen Chai trinken.
Ja, eigentlich müsste ich aus meiner Erfahrung gelernt haben, doch ich falle ein weiteres Mal auf eine "company" rein. Doch diesmal nur Anfangs, dann mache ich mir die Situation zu Nutze.
Die Vertreter dieser Company fangen mich anders ein als Ravi am Strand von Goa (nachzulesen in den ersten Teilen des Berichts): Sie interessierten sich sehr für Deutschland, sagen sie, sie möchten bald dorthin reisen und mit mir ein wenig Deutsch üben. Gut, sie bringen es glaubwürdig rüber, ich ahne zwar schon, dass da was im Busch ist, lasse mich aber darauf ein, in der Hoffnung, ich könne ihnen tatsächlich einfach nur etwas Deutsch beibringen, nett wie ich eben bin ;)
Doch bei ihnen Zuhause, wo wir mit dem Roller hinfahren, erwähnt keiner mehr was von Sprachunterricht. Stattdessen reden wir über die Unterschiede unserer Länder und Kulturen, sie lassen dabei durchscheinen, dass sie es unfair finden, in Indien geboren zu sein, während ich mir alles leisten kann, wovon sie nur träumen. Verständlich.
Bald geht es jedoch ans Eingemachte: Wie ich geahnt habe, betreiben auch sie Handel mit Edelsteinen und fragen mich, ob ich einen Job machen möchte, über den ich mittlerweile bestens bescheid weiß.
Ich spiele das Spiel kurz mit, denn das bedeutet Essen gratis und eventuell sogar ein Schlafplatz umsonst! Angesichts der Knappheit der Gästebetten im oberen Rishikesh wäre das gar keine schlechte Sache. Doch es geht nicht auf. Ich lasse mir alles erzählen, was ich schon mal so ähnlich gehört habe, doch lehne das Angebot am Ende entschlossen ab. Das bedeutet für mich, dass ich gehn muss.
Kurz vorher ist allerdings ein weiterer Freund der beiden, der "Boss", mit zwei jungen Mädels, vielleicht um die Achtzehn, höchstens Zwanzig hereingekommen. Ich weiß, dass auch sie potenzielle Opfer dieses Betrugs sind. Mit ihren jungen Jahren unterstelle ich ihnen eben so ausgeprägte Naivität wie ich sie selbst auf LSD am Strand von Goa an den Tag gelegt habe. Ich habe kurz den Gedanken, sie zu warnen. Doch sie sind bereits völlig eingelullt von den Verführungskünstlern. Letztere möchten mich nur noch los werden, jetzt, wo sie andere, besser geeignete Opfer gefunden haben. Vielleicht haben sie auch Angst, ich könnte die Mädchen warnen. Das tue ich nicht. Aus irgendeinem Grund möchte ich den Lauf der Dinge an diesem Abend einfach nicht beeinflussen. Vielleicht weil ich bekifft bin. Sicher auch, weil die Jungs von der company zu dritt sind und ich nicht rausfinden möchte, wie sie reagieren, wenn ich ihnen in ihrer Privatwohnung das Geschäft versaue. Ich überlasse also die Mädchen ihrem Schicksal, wünsche ihnen, dass sie schlau genug sind und habe unterm Strich immerhin ein Gratis-Essen abgestaubt.

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