Montag, 9. April 2012

Trennungsschmerz

Gerade habe ich mich spontan beim Kaffeetrinken gefragt, was eigentlich schwieriger ist: Von Heroin loszukommen oder von einer Frau?

Beides hab ich schon ein paar Mal erfolgreich hinter mich gebracht, wobei ich aber viele Monate gebraucht habe, um mich wieder einzufangen.

Das Loslassen ist nicht immer einfach. Aber vielleicht ist es auch nur nicht einfach, weil man es sich schwer macht oder es durch andere Umstände erschwert wird.
Gewöhnungen aufzulösen, dauert, so vermute ich mit mulmigem Magen, etwa genau so lange, wie sie herbeizuführen. 

Schön ist der Anfang, in ihm liegt all das Potential, all die Träume und Hoffnungen, hier spielt das Leben seine besten Karten aus.
Eines aber ist gewiss: Das Anfangs Schöne bleibt nicht lange, wie es ist. Ich habe mir sehr lange Zeit die Hoffnung gemacht, dass es möglich ist, das anfänglich Schöne aufrechtzuerhalten. Durch vorsichtiges Dosieren zum Beispiel. Nichts tötet Schönes, Spannendes, Angenehmes schneller als das Alltägliche. Das Alltägliche macht Aussergewöhnliches gewöhnlich und damit weniger neu, weniger aufregend, weniger lebendig. 

Ich meine, wer kennt das nicht: da hockt man mal einige Wochen nur aufeinander, im selben Zimmer und irgendwann, bei den einen früher, bei den anderen später, fängt irgendetwas an zu nerven. Man fühlt sich eingeschränkt, man ist sich doch nicht in allen Lebensbelangen ganz einig, man braucht seinen Freiraum, man braucht auf einmal eine höhere Dosis, die Euphorie, die einen am Anfang noch überwältigt hat, lässt nach.

Das kann man durch vorsichtiges Dosieren zwar eine Weile vermeiden, ich bin aber mittlerweile sicher, es geht nicht auf Dauer gut. Abstand ist gefragt, denn ohne genügend Abstand, entsteht die Gewöhnung, die nur schwer wieder aufzulösen ist.
Wenn man also im Begriff ist, sich an etwas/jemanden zu gewöhnen, gewissermaßen zu binden, sollte man sich genau ansehen, wer oder was das eigentlich ist, mit dem man da einen Tanz eingeht. Nicht, dass es am Ende der Teufel ist, getarnt als deine Wünsche und Hoffnungen, dessen Verkleidung erst nach und nach zerbröckelt, nämlich mit der Gewöhnung, mit dem Alltag.

Irgendwann streitet man sich auch, man entdeckt die Schattenseiten des Anderen, eigene Schattenseiten steigen plötzlich empor, als würden sie durch den anderen heraufbeschworen.
Das befreiende Gefühl vom Anfang ist weg, auf einmal kehrt es sich gar ins Gegenteil und man fühlt sich eingeschränkt. Trotzdem: Ist man dann allein, stellt sich dieses merkwürdige Gefühl ein, dass etwas fehlt. Wieso denn plötzlich? Im Lebensabschnitt vorher fühlte man sich doch auch komplett, ohne.
Die Gewöhnung ist also da und ab diesem Zeitpunkt bekommt man sie ohne Trennungsschmerz nicht mehr weg. 

Sicher gibt es Unterschiede zwischen der Entwöhnung von einer Beziehung und der vom Opiat.
Doch beides schmerzt den Geist, der den Anfang nicht vergessen kann. Der die warme Umarmung, die absolute Zufriedenheit, das Glück im Hier und Jetzt, das Verschmelzen mit der Gegenwart, der all die schönen Versprechungen nicht vergessen kann, die man sich Anfangs macht, die sich aber sicher nicht erfüllen werden.
Denn wer weiß, vielleicht ist das ein Prinzip des Lebens: Dass wir immer wieder durch Erfahrungen geführt werden, in denen es genau darum geht: sich von dem zu lösen, woran wir uns gewöhnt haben (Keine Anhaftung, alles soll im Fluss bleiben?) Es fühlt sich ungerecht an, dass man es hinter sich lassen muss. Aber eines bringt es auch mit sich: Man wächst und wächst und wächst...

Das Leben geht weiter.


[Dieser Beitrag ist, wie man unschwer erkennen kann, aus der Sicht eines männlichen Menschen geschrieben. Er kann aber, denke ich, auch umgedichtet werden auf die Perspektive einer Frau.]

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