Dienstag, 14. März 2017

Indienreise, Teil 17 - Die Portugiesische Kanadierin

Es ist ja eine weit verbreitete Annahme, dass jemand, der gerade Heroin genommen hat, allerhöchstens noch wie ein Zombie herumwankt, wenn überhaupt. Nicht so, wenn man die Dosis richtig wählt. Solange man von Heroin nicht körperlich abhängig ist, gilt: Weniger ist mehr. Eine eher geringe, dennoch ausreichend wirksame Dosis versetzt den Konsumenten in einen extrem euphorischen Zustand, voller Energie und Tatendrang und mit zwar weniger Empathie, doch recht großer Kontaktfreude.
So eine Dosis erwische ich an diesem Tag mehr oder weniger zufällig, denn ich lasse Vorsicht walten und nehme nur sehr wenig von dem Pulver mit unbekanntem Reinheitsgrad. Sofern man von "Vorsicht walten lassen" sprechen kann, wenn man sich in einem fremden Land von völlig Fremden irgendein Pulver in die Nase zieht!
So bin ich also irgendwie angetan von "Bodis" Idee, jetzt Mädchen ansprechen zu gehn. Er möchte aber gerne erst Whisky oder irgendeinen Alkohol trinken. Ja gut. Jedem sein Mutmacher!
Alkohol, sofern es sich nicht um Bier handelt, kauft man in Indien in speziellen Läden. In manchen heiligen Regionen gibt es auch gar keinen Alkohol zu kaufen, zum Beispiel in Rishikesh.
Ich kaufe Bodi einen Schnapps und ich selbst hole mir ein Kingfisher in einem anderen Laden. 
Bei über 40° ziehe ich mir Mittags, in der heiligsten Stadt des Landes, mit ein paar Alkoholiker-Indern in einer schattigen Gasse ein Bier rein und komme mir dabei wesentlich blöder vor, als vorher, wo ich so schön unauffällig berauscht war.

Dann ziehen wir los. Ein guter Ort zum Leute kennenlernen sind die Stufen, direkt vor meinem Guesthouse. Mein Zimmer ist nur wenige Meter entfernt und so fühlt es sich an, als wären die breiten Treppen, die runter zum Ganges führen, so etwas wie meine Terrasse, auf der ich ganz viel Besuch habe.



Dann kommt ein schönes Mädchen, und nicht nur Bodi hat sie bemerkt. Er fordert mich mit Kopfbewegungen auf, etwas zu unternehmen. Also fasse ich kurz meinen Mut zusammen und wenige Augenblicke später bin ich in ein sehr nettes Gespräch verwickelt. Sie kommt aus Kanada und ist Portugiesin. Oder umgekehrt? Es dauert jedenfalls nicht lange und Bodi sitzt neben uns und bringt sich ab und zu ein. Und wie wir da so sitzen und uns nett unterhalten, wird mir ganz anders, wenn ich daran denke, dass Bodi im Grunde genommen gar kein Interesse an dem Charakter unserer neuen Bekannten hat, sondern sie halt nur ficken will. Seine Beiträge zum Gespräch zielen auch nur darauf ab, der Kanada-Portugiesin schnell ein super-cheap Hotelzimmer zu besorgen, denn sie hat noch keine Unterkunft.
Sie lässt sich aber darauf ein, mit uns zu gehen und sich vom Ortskundigen Bodi ein gutes Zimmer organisieren zu lassen.


Vielleicht hat Bodi bereits an dieser Stelle erwartet, dass ich mich nun, nachdem ich meinen Pflichtteil erfüllt habe, von den beiden entferne. Doch ich genieße die Unterhaltung mit ihr und mache mir außerdem gar keine Gedanken über Bodis wünsche, schließlich haben wir ja keinen Vertrag abgeschlossen. So sollte es also anders kommen, als er es sich wohl Anfangs gedacht hat.

Das Zimmer, das Bodi organisiert, gefällt der portugiesischen Kanadierin sofort und auch ich überlege kurz, ob dieses Hotel nicht viel cooler ist als meins. Doch es liegt nicht am Ganges, sondern ist versteckt in den Gassen, in denen man sich immer verläuft. Aber es hat eine tolle Dachterrasse. Dort chillen wir und später in ihrem neuen Zimmer. Wir reden die ganze Zeit und jonglieren später mit ein paar Bällen, die sie dabei hat. Bodi denkt sich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich: Diese verdammten Hippies.
Er jongliert auch nicht mit, sondern liegt nur erwartungsvoll auf dem Bett rum oder ist genervt. Wir zwei, ich und die Portugiesin sind es aber auch, die hier einen sozialen Kontakt zelebrieren und wenn ich jetzt gehen würde, wie schade wäre es um die schöne Zeit, die ich gerade genieße. Und was würde dann in diesem Zimmer geschehen?
Schießlich ist es Bodi, der geht. Er wünscht uns noch ne schöne Zeit und sagt auf Wiedersehen.

Normalerweise ist es irgendwie klar, was in einer solchen Situation als nächstes folgt. Die Kanadaportugiesin ist aber irgendwann sichtbar irritiert, als von mir nicht im geringsten auch nur Andeutungen auf Körperlichkeit gemacht werden. Ja ja, das ist auch so eine Nebenwirkung von Opiaten. Ich genieße in diesem Zustand rein geistigen Austausch und dann schlafe ich irgendwann sogar einfach ein.

Als ich aufwache, liegen wir nebeneinander im Bett. Meine Anwesenheit schien sie nicht gestört zu haben und auch immer noch nicht zu stören und wir gehen erstmal auf die Dachterrasse, um den neuen Tag zu begrüßen. Später laufen wir an den Ghats entlang, trinken einen Chai und es ist eigentlich sehr schön. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie mich loswerden möchte, sondern im Gegenteil.
Doch zu diesem Zeitpunkt halte ich bereits den blutigen Stift in der Hand, mit dem man beim Leibhaftigen höchstpersönlich den Vertrag zur Abtretung der eigenen Seele unterzeichnet und so wird mir diese angenehme Zweisamkeit verwehrt. Ich muss zurück in mein Guesthouse, um ein ungutes Gefühl zu vertreiben, das mich davon abhält, mich auf die Gegenwart einzulassen. So schade es ist, verabschieden wir uns am Chaistand und gehen zunächst getrennte Wege.

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