Hätte ich den „Lonely Planet“ vor meiner Abreise etwas gründlicher angeschaut, dann wäre mir sicherlich der Kasten aufgefallen, in dem eindringlich davor gewarnt wird, sich auf dubiose Edelsteingeschäfte einzulassen. Nicht, dass es mir nicht äußerst spanisch vorgekommen wäre, als ich an diesem Morgen in Goa in einem fremden Haus erwachte und mein Trip noch ordentlich nachglühte. Doch die Geschichte hatte so plausibel geklungen, dass ich einfach nicht wahrhaben wollte, dass es Leute gibt, die einen auf so eine Art und Weise über den Tisch zu ziehen versuchen.
Ich erwache also im Gästezimmer der Geschäftsmänner und bin auf einmal total paranoid. Traue mich kaum raus ins Wohnzimmer, wo ich bereits Stimmen höre. Ich überwinde mich aber doch schnell.
Der Boss empfängt mich herzlich, fragt mich, ob sie irgendwas für mich tun können, ob ich was brauche. Es sitzt noch ein anderer, junger Mann im Raum, offensichtlich ebenfalls Tourist. Er wirkt irgendwie nervös, sieht aus, als hätte er die Nacht gefeiert, wie ich. Er spricht kaum etwas und steht bald auf, um zu gehen. Der Boss sagt, dass er aus Dänemark kommt und angeblich schon zum zweiten Mal für die Company arbeitet. Er bietet mir an, in dem Schlafzimmer umsonst zu wohnen, wenn auch ich den Job mache. Essen gäbe es ebenfalls jeden Tag. Bis zum Abflug. Ich bin verwirrt. Was genau war nochmal der Job? Nach Deutschland zurückfliegen? Die nächsten Tage? Unvorstellbar. Ich bin doch gerade erst angekommen?! Aber ein paar Tausend Euro so unkompliziert verdienen? Wann bietet sich eine solche Chance ein nächstes Mal? Moment – was, wenn es eine Abzocke ist? Aber wo genau ist dann der Haken? An welcher Stelle werde ich verarscht?
Ich lasse mir Details erläutern: Sie würden, wenn ich bereit wäre, mit mir zusammen die Zollpapiere ausfüllen und anschliessend mit mir zur Post gehen. In den Papieren für den Zoll müssen auch die Bankdaten angegeben werden, damit alles echt aussieht. Dann würde das zuvor gemeinsam verpackte Paket an die Post übergeben. Alles unter meinen Augen. Sie behielten den Paketschein zum auslösen des Pakets, ich flöge nach Deutschland. Dort träfe ich auf den Kontaktmann, dem sie den Paketschein zuschicken würden. Auslösen, abkassieren. Es klingt so schlüssig!
Der Boss hat sogar „Beweise“ für die Glaubhaftigkeit seines „business“ parat: Einen Stapel Kopien von Reisepässen all der Leute, die bereits mit der company zusammengearbeitet haben. Sie sehen echt aus. Sind das nun Leute mit dem besten Job der Welt oder arme Opfer einer ausgeklügelten Betrugsmasche?
Ich bin den ganzen Tag lang hin- und her gerissen. Ich traue der Sache irgendwie nicht, wünsche mir aber insgeheim, dass es wahr ist. Ich sage, ich brauche Zeit, das ganze zu überdenken. Eigentlich bin ich mir aber schon sicher, dass ich nichts riskieren will und mir meine Reise wichtiger ist, als solch einen merkwürdigen Job zu machen. Für diese Zeit stellen sie mir ihr Gästezimmer zur verfügung. Wie könnten so nette und gastfreundliche Menschen je betrüger sein?
Wenn du gedacht hast, bei Vicky handele es sich um eine Frau, muss ich dich leider enttäuschen. Vicky ist ein dicker, dunkler Mann mit langen Haaren. Vicky war es, der die anderen zu seinem vermeintlichen Vorteil lügen ließ und selbst eher ruhig war. Daher ist er mir der sympathischste Part dieses einfallsreichen Unternehmens.
Vicky zeigt mir auch, wie ich vom Haus aus zum Strand gelange, so wie gute Kumpels düsen wir mit dem Roller dahin. Ich versuche, mir den Weg zu merken und verabschiede Vicky. Allein. Zeit zum Durchatmen. In was bin ich da nur wieder rein geraten? Mein Geist ist noch immer leicht und sorgenlos, vom LSD am Vortag. Ich komme nicht mal auf die Idee, in ein Internetcafe zu gehen und mich über Edelsteingeschäfte in Indien zu informieren. Auf google hätte ich sofort etwas gefunden. Stattdessen wechsle ich Geld und laufe den Strand entlang.
Wie der aufmerksame Leser sicher schon bemerkt hat, bin ich dem hedonistischen Drogenkonsum nicht ganz abgeneigt. Ich habe mir sagen lassen, dass es in Indien noch sehr reines Heroin zu kaufen geben soll und das ist eben so ein kleines Laster. Wie das Rauchen. Ich entscheide mich also spontan, mir jetzt Heroin zu kaufen! Das mit den Edelsteinen ist irgendwie verdrängt.
Und in Indien ist es nun wirklich keine Kunst, blitzschnell an Drogen aller Art zu kommen. Ein Junge, vielleicht nicht mal ganz 18, spricht mich an, ob ich „smoke“ brauche. Nein, aber Heroin, please. Ja, das könne er besorgen. Was, denke ich mir stutzig, so schnell? Ich folge ihm voller Spannung.
Wir gehen in eine Art Armenviertel. Mir wird ein wenig mulmig. Dann eine Situation, in die man beim Drogenkauf auf der Straße wohl zwangsläufig gerät: Ich muss ihm das Geld mitgeben und er kommt gleich wieder mit dem Zeug. Wir diskutieren sicher zwanzig Minuten lang rum, ich will das Geld nicht mitgeben, er kann aber dann nichts holen gehen. Jeder bleibt zunächst stur. Ich gebe aber schliesslich nach, weil ich keine Lust habe, mich nach einem anderen Dealer umzuschauen und es außerdem allmählich dunkel wird und ich aus diesem Viertel raus will. Ich gebe ihm umgerechnet etwa 40 Euro mit. Viel zu viel für ein Gramm! Doch er lässt nicht mit sich verhandeln. Sein Freund mache die Preise. Dann warte ich. 5 Minuten später kommt er. Er hat noch immer das Geld. Sein Dealer befindet sich gerade in einem Morphin-Schlaf und wir müssen warten. Wir warten.
Später geht er nochmal los, es ist bereits richtig dunkel. Ich höre ihn mit einem Mädchen diskutieren. Oder streiten? Kurz darauf kommt er zu mir gelaufen, wir sollen hier weggehen. Er hat aber tatsächlich ein kleines Briefchen dabei. Wir gehen in eine Ecke, er öffnet es und darin befindet sich ein weiß-gelbliches Pulver. Vielleicht ein Gramm, vielleicht auch nicht. Er macht sich noch was ab, ich bekomme den Rest. Ich ziehe ein wenig durch die Nase und kurz darauf bin ich sooo zufrieden.
[Hinweis: Bei dieser Story soll es sich nicht um Drogenverherrlichung handeln. Heroin ist eine extrem gierig machende Substanz und der Konsum kann zu sozialer Verwahrlosung führen. Der Protagonist in dieser Geschichte ist krankhaft leichtsinnig und seine Handlungen in keinster Weise vorbildlich.]
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